Rückenschmerzen sind allgegenwärtig und zählen mittlerweile als Volkskrankheit #1. Leider ist falsches Wissen darüber genauso weit verbreitet. Ich kläre euch deshalb über die häufigsten Rückenschmerzmythen auf und stelle klar was richtig und was falsch ist!
Rückenschmerz ist heutzutage keine Ausnahmeerscheinung, sondern eine Epidemie. Dies wird durch aktuelle Zahlen untermauert: 90% aller Deutschen haben mindestens 1x in ihrem Leben Rückenschmerzen und jeden Tag haben 10% aller Deutschen damit zu kämpfen. Therapien gibt es viele gegen Rückenschmerz und auch das vermeintliche Wissen über Rückenschmerz scheint in der Bevölkerung weit verbreitet. Doch unter diesem Schein-Wissen verbergen sich oft Mythen und falsche Informationen. Wir nehmen 5 der häufigsten Mythen über Rückenschmerz unter die Lupe und erklären euch was dahintersteckt und wie die Wahrheit aussieht!
Mythos 1: Bei Rückenschmerzen muss man sich schonen!
Wer hat das nicht schon einmal gehört? Es ist einer der häufigsten Ratschläge überhaupt, wenn es um Verletzungen geht. Bei den meisten hat er auch durchaus Berechtigung. Zumindest in der akuten Phase. Einen gebrochenen Fuß sollte man direkt nach dem Trauma durchaus schonen. Jedoch nehmen sich die meisten Menschen diesen Ratschlag zu sehr zu Herzen, besonders wenn er vom Doktor kommt. Schonen bedeutet nämlich in den seltensten Fällen gar nicht bewegen!
Doch genau das passiert nach diesem Ratschlag bei den meisten Menschen. Keine Bewegung, dafür stunden- und tagelanges sitzen und liegen auf Couch und Bett. Zwar sollte eine verletzte Körperpartie nicht überlastet werden, um die Heilung nicht zu unterbrechen oder gar neue Verletzungen zu riskieren. Aber gar nicht Bewegen hat meistens für die langfristige Verletzungsheilung und Prophylaxe neuer Verletzungen sehr negative Auswirkungen. Denn der menschliche Körper ist nicht für lange, statische Positionen gemacht, sondern für aktive Bewegung. Sitzt man nun nur noch, weil man vermeintlich schonen will, ergeben sich mehrere negative Effekte: Zum einen verkümmert die Muskulatur. Sie wird strukturell schwächer und verliert auch Koordination und Ansteuerung, sprich Kontrolle von Bewegungen. Beides hat negative Effekte auf den langfristigen Heilungsprozess, kann für Verspannungen sorgen und neue Verletzungen begünstigen.
Daher gilt bei Rückenschmerzen nicht schonen im Sinne von Sofa-Kur, sondern schonen im Sinne von schonend bewegen! Durch schonende Bewegung kann sich der Körper wieder selbst organisieren und Verspannungen lösen sich meist schneller. Je weniger schlimm der Rückenschmerz, desto mehr Bewegung ist möglich. Hier gilt so viel schonende Bewegung wie möglich, so wenig intensive Bewegung wie nötig, gerade in akuten Phasen. Sind starke Schmerzen vorhanden gilt: So viel Bewegung wie nötig um Linderung zu erzeugen, so wenig schmerzende Bewegung wie möglich!
Mythos 2: Bei chronischen Schmerzen hilft nur eine OP
Oft ist es die letzte Notlösung: Die Operation, meist bei Beschwerden im Lendenwirbelbereich, um die Wirbelsäule noch zu retten. Leider wird in Deutschland jedoch noch immer viel zu oft bei Rückenschmerzen operiert, wenn konservative Optionen oft noch nicht mal ansatzweise ausgeschöpft wurden. Hieran erkennt man unter anderem auch einen guten Orthopäden. Wird eine OP relativ schnell empfohlen, ohne wirklich auf konservative Methoden einzugehen, sollte man darüber nachdenken den Doktor zu wechseln!
Vor einer OP sollte es auch zu einer umfassenden Anamnese und einer eingehenden Untersuchung des Körpers kommen. Am besten durch einen gut ausgebildeten Trainer oder Therapeuten. Und das nicht nur von der schmerzenden Stelle! Wiederkehrende Probleme trotz Therapie, bei der nur an den Symptomen gearbeitet wird, können nämlich sehr oft von Beweglichkeits- oder Stabilitätseinschränkungen an ganz anderen Stellen im Körper kommen. Wie der Hüfte, der Brustwirbelsäule oder den Füßen! Unser Körper funktioniert als zusammenhängende Einheit, so sollte er auch untersucht und therapiert werden! Meist können so auch chronische Schmerzen gelindert oder gar komplett geheilt werden. Eine OP ist nur in absoluten Ausnahmefällen angebracht. Vor allem dann, wenn ein struktureller Schaden, der nicht von selbst oder durch Therapie wieder zurück geht, die Schmerzen verursacht.
In den meisten Fällen sind chronische Schmerzen ein Lifestyle Problem, dass durch ungenügende Diagnostik noch nicht richtig erkannt wurde oder durch mangelnde konservative Methoden noch nicht richtig therapiert wurde! Das Gleiche gilt übrigens auch für sogenannte „Unspezifische Rückenschmerzen“. Die gibt es nämlich eigentlich nicht. Jeder Schmerz hat eine Ursache, die durch eine ausreichende Diagnostik gefunden werden kann. Sei die Ursache dann physischer, psychischer oder emotionaler Natur. Unspezifischer Rückenschmerz ist schlecht diagnostizierter Rückenschmerz!
Mythos 3: Ein Bandscheibenvorfall bedeutet: Chronische Schmerzen kommen!
Oft werden Rückenschmerzen in Zusammenhang mit Bandscheibenvorfällen gebracht. Und umgekehrt bedeutet die Entdeckung eines solchen bei MRT oder CT meist auch die Aussage, dass die Rückenschmerzen daher stammen. Die wenigsten wissen jedoch, dass die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens einen oder sogar mehrere Bandscheibenvorfälle bekommen, oft ohne je etwas davon zu merken! Doch wie kann das sein?
Ein Bandscheibenvorfall ist eine strukturelle Veränderung der Bandscheibe. Dieser kann von einer Vorwölbung der Bandscheibe bis hin zu einem Riss und dementsprechend einem Durchbruch des inneren Gallertkerns nach außen bedeuten. Gerade bei Vorwölbungen, oft auch bei kompletten Vorfällen mit Riss, bleiben die Schmerzen jedoch aus. Denn der Körper ist sehr gut darin sich anzupassen und solche Vorfälle zu kompensieren. Vor allem dann, wenn keine Nerven betroffen sind.
Das heißt natürlich nicht, dass ein Bandscheibenvorfall nie Schuld an Schmerzen hat. Wahrscheinlich sind sie aber genauso oft, wenn nicht sogar öfter nicht die Verursacher der Schmerzen. Das kann vor allem dann trügerisch werden, wenn man bislang keine Schmerzen hatte, ein Vorfall festgestellt wird und sich dann Schmerzen einstellen. Die Psyche spielt hier eine sehr große Rolle!
Aber woher stammen die Schmerzen dann? Schmerz ist immer ein Warnsignal des Körpers für eine als Bedrohung wahrgenommene Situation. Diese bedrohliche Situation kann nun tatsächlich daher kommen, dass der Körper eine strukturelle Verletzung als Bedrohung wahrnimmt. Das ist aber wie bereits erwähnt oft nicht der Fall bei Bandscheibenvorfällen. Viel öfter sind es funktionelle Defizite. Der Körper merkt, dass die eigenen Fähigkeiten im Sinne von Beweglichkeit, Stabilität oder Kraft und Kraftausdauer (um nur ein paar Beispiele zu nennen) den äußeren Umständen und Kräften, die auf uns einwirken nicht gewachsen sind. Er nimmt das als Bedrohung wahr und sendet Schmerzen als Warnsignal aus. Wird die körperliche Kapazität angepasst, um sie den Umständen gerecht zu machen, so verschwinden oft auch die Schmerzen.
Mythos 4: Training mit Gewichten verursacht Rückenschmerzen
Diesen Satz kann man oft von Gegnern des Krafttrainings hören. Diese verweisen dann meist auf Bekannte oder Sportler, die sich beim Training, meist dem Heben von schweren Gewichten, Rückenschmerzen zugezogen oder sogar den Rücken verletzt haben.
Dabei sollte man diese Thematik differenzierter betrachten!
Grundsätzlich ist eine Kräftigung der gesamten Rumpfmuskulatur, inklusive und vor allem der Gesäßmuskeln nämlich nicht nur von Vorteil zur Prävention und Rehabilitation von Rückenschmerzen. Meist ist das sogar unabdingbar. Eine gewisse Grundkraft ist einfach notwendig, um die Lasten unbeschadet zu überstehen, denen der Körper im Alltag und Sport ausgesetzt ist. Um dies möglichst schonend zu erreichen, steht eine saubere Technik im Training vor allem anderen. Qualität vor Quantität!
Missachtet man diese Qualität, führt die Übung also grundsätzlich schlecht aus oder nimmt so viel Gewicht, dass man sie gar nicht mehr sauber ausführen kann, dann ist die Verletzungsgefahr durchaus gegeben. Bei guter Technik ist die Kräftigung des Rückens, des Rumpfes und der Hüfte jedoch eines der top Hilfsmittel im Kampf gegen Rückenschmerzen. Wichtig ist jedoch zu erwähnen, dass Kraft, egal in Welchem Körperteil, immer auf einem guten Fundament aus Beweglichkeit und Stabilität aufbauen muss!
Mythos 5: Crunches stärken den Rumpf
Um den Rumpf zu kräftigen müssen die Bauchmuskeln miteinbezogen werden. Das ist Fakt. Allerdings spielt es eine große Rolle, wie das getan wird! Die mit Abstand meist gewählte Variante, um dies zu tun sind Crunches und Sit-Ups. Und genau hier schaufeln sich viele Leute ihr eigenes Grab. Zwar kräftigen beide Übungen grundsätzlich die gerade Bauchmuskulatur, allerdings nicht immer ungefährlich. Auf den Alltag und Sport hin betrachtet sind beide Übungen nicht wirklich funktionell. Sie spiegeln also nicht die Funktion wider in der die Bauchmuskeln benötigt werden. Darüber hinaus wirken beide Übungen mit zum Teil sehr hohen Kräften auf die Lendenwirbelsäule. Kräfte, die nach Studien des kanadischen Rückenexperten Stuart McGill ausreichend sind, um Rückenschmerzen zu erzeugen. Besonders bei Menschen, die ohnehin nicht die beste Stabilität und Kraft im Rumpf besitzen sollten erstmal andere Übungen bevorzugt eingesetzt werden. Bei Menschen, die bereits an Rückenschmerzen leiden sollten Crunch und Sit Up vorerst vermieden werden.
Besser trainiert man den Rumpf und die Bauchmuskulatur zum Beispiel mit folgenden Alternativen:
Dem aktiven Unterarmstütz. Im Unterschied zum passiven Unterarmstütz, den die meisten machen, wird hier der ganze Körper aktiv angespannt: Gesäß, Bauch, Oberschenkel, Rückenmuskeln und dabei wird bewusst geatmet.
Dem Seitstütz. Auch hier sollte der gesamte Körper aktiv angespannt werden.
Dem Curl-Up. Dieser sieht ähnlich aus wie ein Crunch, jedoch werden Kopf und Schultern nur leicht angehoben (Dadurch erzeugt man keine Beugung in der Lendenwirbelsäule) und für 10 Sekunden pro Wiederholung gehalten.
Mythos 6: Ein starker Rücken kennt keinen Schmerz
Gerade haben wir noch von den Vorteilen guten Krafttrainings für Rückenschmerzen gesprochen, und nun soll das ein Mythos sein? Nicht ganz, Funktionelles Krafttraining ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil für das Training gegen Rückenschmerzen. Es sollte aber nicht nur daraus bestehen, so wie es in manchen Fitnessstudios leider der Fall ist. Nämlich nur durch einseitige Kräftigung an Geräten.
Ein guter Trainingsansatz beinhaltet auch aktives Beweglichkeitstraining, vor allem für die Hüfte und Brustwirbelsäule. Sind beide zu steif, muss die Lendenwirbelsäule vieles dieser fehlenden Beweglichkeit abfangen. Dafür ist sie aber nicht gemacht, die Lendenwirbelsäule soll vor allem stabil sein. Aus dieser Diskrepanz resultieren häufig über kurz oder lang Rückenschmerzen.
Die Brustwirbelsäule sollte dabei vor allem in der Rotation mobilisiert werden, die Hüfte vor allem an der Vorderseite aufgedehnt werden.
Man sollte also eher sagen: Ein starker und geschmeidiger Rücken kennt keinen Schmerz!
Da habt ihr sie also, 6 der verbreitesten Mythen über Rückenschmerzen. Wenn euch das Thema interessiert, dann schaut doch immer mal wieder auf meinem Blog vorbei, ich werde die Themen Schmerz und vor allem Rückenschmerzen öfter mal in neuen Artikeln beleuchten.
Wenn ihr selbst aktuell an Rückenschmerzen leidet, dann schreibt mir doch einfach eine Email und beschreibt mir eure Problematik!