Faszienrolle – Sinnvoll oder nutzlos?

Faszienrolle, Blackroll, Faszienball, Duoball… Namen und Formen gibt es mittlerweile viele für dieses kleine Stück Sportausrüstung, das die Fitnessbranche in den letzten 10 Jahren so stark begleitet hat.

Aber was kann so eine Faszienrolle überhaupt? Wird sie dem Hype gerecht, der um sie entstanden ist? Viele Heilsversprechen werden rund um das Thema Faszienrollen und Triggern gemacht. Welche davon sind haltbar? Und was ist Mumpitz?

Heute will ich mich einer kritischen Betrachtung dieses Themas widmen. Und euch zeigen, für was ihr Faszienrollen und andere „Faszientools“ sinnvoll verwenden könnt und für was nicht!

Faszienrollen können scheinbar alles

Zuerst wollen wir uns anschauen, was Faszienrollen alles nachgesagt wird bevor wir uns anschauen, was sie unterm Strich wirklich können.

Schaut man sich einige Experten im Fitnessbereich an oder folgt bestimmten Kanälen auf Social Media, dann könnte man fast meinen dass Faszienrollen der Heilige Gral der Gesundheit sind.

Dieser Hype hält nun auch schon eine ganze Weile an. Angefangen hat es vor etwa 10 Jahren, als die Faszienmassage mit Rollen und ähnlichen Geräten durch Fitnessgrößen wie Kelly Starret groß gemacht wurde. Ein paar Jahre später kamen die Rollen dann auch flächendeckend in die meisten Fitnessstudios.

Die Beliebtheit der Rollen hält bis heute an. Unzählige Experten haben sich dem Thema sogar ganz oder zu großen Teilen verschrieben, wie Robert Schleip oder Liebscher und Bracht.

Wunderorgan Faszie

Um zu verstehen, was es mit den Faszienrollen auf sich hat und warum ihnen eine so große Bedeutung zugemessen wird, ist es wichtig sich erst einmal das anzuschauen was dem zugrunde liegt: Die Faszien.

Bis vor 10 Jahren haben die Faszien relativ wenig Beachtung bekommen. Sie wurden als simples Verpackungsmaterial von Muskeln angesehen. Das hat sich dann aber durch die Arbeit von Experten wie Robert Schleip oder Thomas Myers geändert. Sie konnten zeigen, dass die Faszien mehr als nur passives Gewebe sind.

Im Prinzip kann man die Faszien als eigenes Organ ansehen. Sie sind eine Art Verpackung unserer Muskeln und Knochen, das stimmt. Dabei besitzen sie aber jede Menge Rezeptoren und Sensoren. Sie sind also wichtig für die Wahrnehmung des Körpers und übermitteln dem Gehirn Informationen wie Spannungszustände.

Fasziale Bahnen

Eine der größten Erkenntnisse in diesem Forschungsprozess war, dass die Faszien den ganzen Körper verbinden. Dabei bündeln sie sich in spezifischen Bahnen, sind aber fast überall mit Querverbindungen noch zusätzlich vernetzt. Das bedeutet im Prinzip, wenn ich an einer Stelle Spannung im Körper erzeuge kann sich das auf einen sehr weit entfernten Teil des Körpers auswirken.

Zum Beispiel gibt es eine gebündelte Bahn, die unsere gesamte Körperrückseite entlang läuft. Habe ich sehr viel Spannung im Bereich der Fußsohle oder des Wadels, kann sich das in der Theorie auf Bereiche wie den Nacken auswirken.

Faszien existieren nicht für sich alleine

Hier will ich aber gleich etwas wichtiges klarstellen. Faszien wurden in den letzten Jahren meistens gesondert erwähnt. Viele Methoden wurden explizit auf Faszien ausgerichtet. Faszienyoga, Krafttraining für Faszien und vieles mehr.

Dabei exisiteren die Faszien nicht für sich alleine. Sie funktionieren zusammen im Verbund mit Knochen, Gelenken, Sehnen und Bändern und am wichtigsten: Muskeln! Von daher sollte man beim Thema Faszien eigentlich immer an das Myofasziale System denken. Also den Verbund aus Muskeln und Faszien. Und allem, was dazu gehört.

Wo eine Faszielrolle helfen kann

Bei den Faszialen Bahnen setzt ein Großteil der nachgesagten Wirkungen der Faszienrolle an. Im Prinzip werden der Selbstmassage folgende Hauptwirkungen attestiert: Die Auflockerung der Faszien und Muskeln und damit eine Verbesserung der Beweglichkeit und eine strukturelle Veränderung von verfilzten oder verkürzten Faszien. Und die Reduktion von Schmerzen durch eben diese Auflockerung aber auch durch eine qualitative Verbesserung der Faszien. Hier wird oft davon gesprochen, dass Faszien verfilzt oder verklebt sind und das Ausrollen diese strukturellen Einschränkungen verbessert.

Geht man nach einigen Befürwortern des Faszientrainings braucht es nichts weiter als regelmäßige Massagen mit einer Rolle und dazu passenden Dehnungen, um Schmerzen und körperliche Probleme zu beseitigen.

Dass es in der Realität nicht ganz so simpel ist, werde ich noch zeigen.

Genau durch diese Versprechungen haben die Faszientools in den letzten Jahren im Breitensport aber auch im Spitzensport noch einmal einen richtigen Boom erlebt. Kaum ein Warm Up wird ohne sie ausgeführt und kaum eine Schmerztherapie ohne sie angegangen.

Was die Gegner sagen

Es gibt aber mittlerweile auch einige Experten in der Fitnessbranche, die in Faszienrollen keinen Nutzen sehen.

Ihre Argumente behaupten meistens, dass all die positiven Effekte, die sich in der Praxis mit Faszienrollen zeigen anderen Dingen zuzuschreiben sind. Man spricht dann davon, dass die Faszienrolle eine unspezifische Wirkungsweise hat. Hier geht es meistens um die sogenannte unspezifische Neuromodulation. Das bedeutet einfach ausgedrückt, dass die Arbeit an der Rolle sich einfach positiv auf das Nervensystem auswirkt – also das Gehirn – und dadurch die positiven Effekte entstehen.

Dieser positive Effekt kann laut diesen Experten aber auch durch andere Übungen und Techniken entstehen, wodurch sie keinen spezifischen Nutzen in der Arbeit mit Faszientools sehen. Und diese Effekte lieber durch Übungen entstehen lassen, die unterm Strich noch mehr positiven Nutzen, nämlich auch spezifischen mit sich bringen.

Wer hat denn nun recht?

Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, da beide Seiten ihre Argumente mit wissenschaftlichen Studien untermauern. Das klingt erst einmal paradox, ist aber durchaus der normale Lauf der Wissenschaft.

Je nachdem, wie eine Studie durchgeführt wird kann man bei der Untersuchung ein und desselben Themas ganz unterschiedliche Ergebnisse bekommen. Das ist auch der Grund, warum man in der Regel erst nach langer Zeit (wir sprechen von mehr als einem Jahrzent) und mehreren Hundert bis tausend Studien zu einem Thema von handfester wissenschaftlicher Evidenz in eine Richtung sprechen kann! (Kleiner Ausflug in die Wissenschaft beendet)

Aktuell stellt sich die Sachlage aber wie folgt dar – ganz wichtig, was folgt ist meine Einschätzung der Situation auf basis der aktuellen Studienlage aber auch auf Basis der aktuellen Evidenz in der Praxis: Beide Seiten haben mit ihren Argumenten recht, zumindest in Teilen.

Die Faszienrolle ist sinnvoll aber nicht allmächtig

Schauen wir uns noch einmal das erste Lager an. Wenn man nach der aktuellen wissenschaftlichen Tendenz geht, dann können Faszienrollen sinnvoll für die Beweglichkeit sein. Aber aus anderen Gründen als behauptet wird und in etwas anderer Anwendung.

Eine strukturelle Veränderung der Faszien durch das Rollen ist nämlich kaum möglich. Faszien sind extrem widerstandsfähige Strukturen. Um sie strukturell zu verändern, sie also zu verlängern oder „Verfilzungen“ zu lösen bräuchte man Kräfte, die weit größer sind als eine Faszienrolle oder ein Ball aufbringen können.

Dennoch kann das Rollen einer Körperpartie zu einer Beweglichkeitsverbesserung führen. Allerdings primär kurzfristig. Studien zeigen, dass nach dem Rollen eines Bereiches die Beweglichkeit hier für ca 30-45 Minuten erhöht ist. Das liegt sehr wahrscheinlich an einer positiven Stimulation des Nervensystems. Zum Aufwärmen kann das Rollen bei unbeweglichen Menschen oder Menschen mit konkreten Einschränkungen also tatsächlich Sinn machen.

Rollen bewegt den körper

Ein weiterer Aspekt, der den Einsatz der Rolle sinnvoll machen kann ist die Tatsache, dass die Massage durch die Rolle zum einen das Gewebe (also Muskeln und Faszien) bewegt und durch die Bewegung und den Druck auch durchblutet. Diese Durchblutung ist grundsätzlich sehr gesund.

Denn ein durchbluteter Körperbereich wird besser mit Nährstoffen versorgt und besser von Stoffwechselprodukten befreit.

Dieser Effekt stellt sich aber auch durch ganz normale Bewegung ein. Mit der Rolle kann man ihn vielleicht noch etwas gezielter auf einen Körperbereich anbringen. Grundsätzlich hilft hier aber reine Bewegung unterm Strich wahrscheinlich genauso gut!

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Bewegung kann oft die Rolle ersetzen

Die Kritiker sagen wie bereits erwähnt, dass alle positiven Effekte der Rolle durch unspezifische Neuromodulation entstehen. Und da die Effekte unspezifisch sind kann man sie genauso gut durch andere Methoden erreichen. Dabei sprechen sich die Kritiker in diesem Fall meist eher für gezielte Bewegung aus. Entweder allgemeine Bewegung oder spezifische Mobilisationen, Dehnungen oder Kräftigungen von problematischen Bereichen oder umliegenden Strukturen.

Die aktuelle Studienlage scheint dies in Teilen zu unterstützen. Wie bereits erwähnt scheint der beweglichkeitsfördernde Effekt vom Rollen eher von einer positiven Beeinflussung des Nervensystems zu kommen, als von einer strukturellen Veränderung. Und das Nervensystem kann man auch anderweitig positiv beeinflussen. Zum Beispiel durch das fokussierte Bewegen spezifischer Gelenke wie der Halswirbelsäule.

Generell muss man erwähnen, dass die Rolle eine passive Maßnahme ist um Beweglichkeit oder Schmerzen zu behandeln. Und passive Maßnahmen sollten IMMER nur unterstützend zu aktiven Maßnahmen sein. Man sollte also nie versuchen seine Probleme nur durch eine Faszienrolle in den Griff zu bekommen.

Am Ende des Tages sollte aktive Bewegung immer die Hauptstrategie sein, um Probleme zu lösen!

Wofür die Faszienrolle sinnvoll einsetzen?

Wenn also Bewegung oft den gleichen Effekt erzeugt, wie die Faszienrolle, warum dann nicht ausschließlich Bewegung benutzen?

Hier muss man sagen, dass die Faszienrolle nicht so allmächtig ist, wie sie in den letzten Jahren oft dargestellt wurde. Aber sie hat durchaus ihre berechtigten Einsatzgebiete.

Als Teil des Aufwärmens

Wie vorhin beschrieben kann das Rollen eines Körperteils die Beweglichkeit kurzfristig steigern. Da Rollen meistens auch als eher angenehm empfunden wird, kann es sich als sanfter Einstieg in das Training anbieten. Hierbei empfiehlt es sich den Fokus auf die Bereiche zu legen, in denen man grundsätzlich eher steif ist.

Da Bewegung im Aufwärmen aber auch oft einen positiven Effekt auf die Beweglichkeit hat, sollte man es mit dem Rollen nicht übertreiben. Am besten macht man es dann, wenn es einem als positives Gefühl in den Trainingseinstieg hilft bei 2-3 Bereichen. Ohne konkrete Probleme wie Schmerzen sollte man nicht mehr als 5 Minuten für das Rollen verwenden, da sonst wichtigere Inhalte wie allgemeine und spezifische Bewegung als Warm up zu kurz kommen.

Als akute maßnahme bei schmerzen

Der Effekt einer manuellen Behandlung (dazu zählt auch die Selbstbehandlung mit der Faszienrolle) bei Schmerzen ist meistens kurzfristig. In mehr als 90% der Fällen sorgt eine reine Massage eines schmerzenden Bereiches nicht für eine dauerhafte Schmerzreduktion.

Noch dazu haben wir ja bereits gelernt, dass der schmerzlindernde Effekt der Faszienrolle eher durch eine Beeinflussung des Nervensystems zustande kommt. Also unspezifisch ist.

Dennoch kann es Sinn machen bei Schmerzen im Warm Up Faszienmassagen am oder rund um den schmerzenden Bereich einzusetzen. Denn auch wenn der schmerzlindernde Effekt nur kurz anhält, so kann er es einem doch erlauben die Übungen danach schmerzfreier, mit mehr Gewicht oder größerer Bewegungsamplitude auszuführen. Und dass ist definitiv wichtig für die langfristige Schmerzreduktion.

Dieser Effekt ist zwar auch erreichbar durch spezifische Gelenkbewegungen, die der Körper positiv wahrnimmt. Doch hier ist jeder Mensch unterschiedlich und die passenden Bewegungen zu finden kann etwas Geduld und Know How in Anspruch nehmen. Die Faszienrolle ist da oft der schnellere, einfachere Weg.

Als Teil des Cooldowns oder zur Regeneration

Am Ende des Trainings oder zur expliziten Regeneration kann man sich auch wieder zwei Effekte der Faszienrolle zunutze machen. Die erhöhte Durchblutung nach der Massage eines Körperteils sowie der mental positive Effekt, der durch die Massage oft entsteht.

Dabei sollte die Anwendung der Rolle immer mit lockerer Bewegung kombiniert werden. Denn diese hat ähnliche Effekte was Durchblutung und mental positiven Effekt angeht (wenn nicht sogar noch größere) und hat darüber hinaus noch mehr positive Effekte auf den Körper und das Gehirn zur Regeneration.

Fazit

Die Faszienrolle hat also durchaus ihre Berechtigung. Sie sollte allerdings immer eher eine zusätzliche Maßnahme sein und immer mit aktiver Bewegung als Hauptkomponente des Trainings kombiniert werden. Egal ob Warm Up, Cool Down oder zur Schmerztherapie. Alleine eingesetzt hat die Faszienrolle meistens nur kurzfristige und daher sehr limitierte Effekte.